Arbeitsverbot „Sichere Herkunftsstaaten und offensichtlich unbegründete Asylanträge“

Update 26.11.2015:

„Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ und die Folgen

Das „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ hat die bayerische Idee des Arbeitsverbots für Menschen aus sicheren Herkunftsländern ins Bundesgesetz übernommen. Allerdings nur für diejenigen, deren Asylantrag nach dem 31. 8. 2015 gestellt wurde: AsylG §61 Abs. 2:

Einem Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat gemäß § 29a, der nach dem 31. August 2015 einen Asylantrag gestellt hat, darf während des Asylverfahrens die Ausübung einer Beschäftigung nicht erlaubt werden.

Daraus schließt z.B. RA Heinhold, dass für Menschen deren Antrag vorher gestellt wurde, eine Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden darf. Normalerweise bricht Bundesrecht das Landesrecht, demnach würde durch das Bundesgesetz die bayerische Verordnung wirkungslos. Bisher hat das noch kein Gericht überprüft.

Laut GGUA sollte für den Stichtag auch die Erstellung einer BüMA ausreichend sein.


Update 23.8.2015:

Artikel aus der Süddeutschen Zeitung: Zum Nichtstun verdammt


Update 17.8.2015:

Aktuelle Einschätzung

Einschätzung (docx) von RAin Petra Haubner (Passau) zur aktuellen Situation.

Wichtige Punkte:

  • Die ABH handhaben die Weisung ganz unterschiedlich
  • Betroffene sollten unbedingt den Antrag auf Arbeitserlaubnis stellen. Bei Ablehnung muss es einen Bescheid geben. Gegen diesen kann man innerhalb eines Monats ab Zustellung klagen.
  • Frau Haubner bietet ihre Hilfe an: „Wir würden gerne möglichst viele Verfahren führen, damit die rechtswidrige Praxis auch in allen Landkreisen und Städten zeitnah beendet wird.“

Update 4.8.2015

Arbeitsverbot für Asylbewerber bleibt bestehen

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen/landkreis-arbeitsverbot-fuer-asylbewerber-bleibt-bestehen-1.2593927

Asylbewerbern und Geduldeten aus sicheren Herkunftsstaaten seien von den Landratsämtern weiterhin grundsätzlich keine Beschäftigungserlaubnisse zu erteilen oder zu verlängern. Der Grund dafür seien „migrationspolitische Erwägungen“: Es soll deutlich gemacht werden, dass mit aussichtslosen Asylanträgen nicht das Ziel einer Beschäftigung in Deutschland verfolgt werden kann.

Die Genehmigung in München war eine Ausnahmeregelung und Einzelfallentscheidung.

Demnach bleibt für alle Arbeitssuchenden aus Senegal und anderen „sicheren Herkunftsländern“ weiterhin nur der Weg über eine Einzelfallentscheidung, zur Not per Gericht.


Update 31.7.2015

Innenministerium rudert zurück, erstes Landratsamt hebt Arbeitsverbote auf

http://www.fluechtlingsrat-bayern.de/beitrag/items/das-bayerische-innenministerium-rudert-zurueck.html

Als erstes bayerisches Landratsamt hat die Ausländerbehörde des Landkreises München mitgeteilt, dass das bayerische Innenministerium die Ende März 2015 verhängten Arbeits- und Ausbildungsverbote wieder einschränkt. Flüchtlinge, die vor mehr als neun Monaten ihren Asylantrag gestellt haben, dürfen wieder eine Arbeit oder einen Ausbildungsplatz antreten.


Ursprüngliche Seite

Am 31.3.2015 hat das Bayerische Innenministerium in einem Schreiben an die Regierungen die Ausländerbehörden angewiesen, „Asylbewerbern und Geduldeten aus sicheren Herkunftsstaaten (…) oder deren Asylantrag (…) aus sonstigen Gründen als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist (…) ab sofort grundsätzlich keine Beschäftigungserlaubnisse (…) mehr zu erteilen oder zu verlängern.
Link zum Schreiben

„Sichere Herkunftsländer“ nach Anlage II zu § 29a Asylverfahrensgesetz

Bosnien und Herzegowina; Ghana; Mazedonien, ehemalige jugoslawische Republik; Senegal; Serbien

Als „offensichtlich unbegründet“ werden derzeit vor allem Asylgesuche aus dem Kosovo schnell abgelehnt.

Aktionen

Organisationen wie Pro Asyl und der bayerische Flüchtlingsrat halten die Weisung für gesetzeswidrig. Es gibt schon einige Versuche, die Weisung gerichtlich überprüfen zu lassen: Wenn ein Antrag auf Arbeitserlaubnis negativ beschieden wird, kann gegen diesen Bescheid geklagt werden. Wenn Sie einen solchen Fall haben, melden Sie sich beim Flüchtlingsrat!

Im Mai haben viele Asylhelferkreise einen gemeinsamen Protestbrief an das Innenministerium geschrieben. Die Antwort des Ministers war eine Bekräftigung des Arbeitsverbots.

Zur Zeit laufen bei OpenPetition.de zwei Petitionen zu dem Thema:
Ausbildungs- und Arbeitsverbote beenden!
Arbeitsgenehmigung für Senegalesen in Diedorf

Rechtliches

http://www.fluechtlingsrat-bayern.de/beitrag/items/arbeitsverbote-sind-makulatur.html

Süddeutsche Zeitung, 29. Juli 2015: Arbeitsverbot Rechtswidrig

Der Regensburger Juraprofessor Alexander Graser hat die EU-Rechtslage geprüft und festgestellt, dass der „Herrmann-Erlass“ gegen die EU-Aufnahmerichtlinie von 2013 verstößt. Diese sieht den Zugang von Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt nach neun Monaten vor. Seit Ablauf der Umsetzungsfrist am 20. Juli sei diese Richtlinie unmittelbar geltendes Recht. Aber auch schon vor Fristablauf, also als das bayerische Arbeitsverbot ergangen sei, sei dieses wegen Entfernung vom Richtlinienziel“ rechtswidrig gewesen. Der Innenminister habe das Ermessen der Behörden also nicht auf europarechtswidrige Weise einschränken dürfen.

Am 26. Juni 2013 wurde die „Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom  zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen“ verabschiedet (Link zum Inhalt / Download als PDF). Dort heißt es in Artikel 15:

Artikel 15
Beschäftigung

(1)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass der Antragsteller spätestens neun Monate nach der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz Zugang zum Arbeitsmarkt erhält, sofern die zuständige Behörde noch keine erstinstanzliche Entscheidung erlassen hat und diese Verzögerung nicht dem Antragsteller zur Last gelegt werden kann.

(2)   Die Mitgliedstaaten beschließen nach Maßgabe ihres einzelstaatlichen Rechts, unter welchen Voraussetzungen dem Antragsteller Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt wird, wobei sie gleichzeitig für einen effektiven Arbeitsmarktzugang für Antragsteller sorgen.

Aus Gründen der Arbeitsmarktpolitik können die Mitgliedstaaten Bürgern der Union, Angehörigen der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen Vorrang einräumen.

(3)   Das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt darf während eines Rechtsbehelfsverfahrens, bei dem Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung in einem Standardverfahren aufschiebende Wirkung haben, bis zum Zeitpunkt, zu dem die ablehnende Entscheidung zugestellt wird, nicht entzogen werden.

Mit dem „Kretschmann-Asylkompromiss“ wurde die RL 2014 in deutsches Recht umgesetzt. Dabei wurde das Arbeitsverbot für Asylsuchende auf 3 Monate verkürzt. Die neue bayerische Sonderregelung widerspricht der EU-RL, weil ein Teil der Asylsuchenden auch nach 9 Monaten Aufenthalt keinen Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen kann.

Am 20.7.2015 läuft die Umsetzungsfrist für die EU Aufnahme-Richtlinie ab. Wenn eine EU-Norm nach Ablauf dieser Frist nicht in nationale Gesetze übertragen wurde, gilt das EU-Recht direkt.

Darauf könnte man sich vor Gericht berufen, wenn der Fall einen Asylbewerber betrifft, der noch im Asylverfahren ist.